Riesenlibellen, Chupa Chups, ein gestohlener Meteorit in einem psychedelischen, immer heißer werdenden Tiroler Sommer: Prana Extrem erzählt von der Sehnsucht, die Welt erfassen und sich ihr gleichzeitig hingeben zu wollen Auf der Bergiselschanze in der Tiroler Wintersportmetropole Innsbruck lernen der Erzähler Joshua und seine Partnerin Lisa im Frühsommer den sechzehnjährigen Michael Stiening kennen, ein österreichisches Skisprungtalent, das sich auf die neue Saison und seinen Angriff auf die Weltspitze vorbereitet. In den Trainingsmethoden seiner älteren Schwester Johanna finden Gravitation, Eingebundensein und Selbstkonfrontation zusammen. Als Joshua und Lisa in die Ferienwohnung im Haus der Geschwister einziehen, entsteht eine Gemeinschaft auf Zeit, zu der unerwartet noch Joshuas exzentrische, aber fürsorgliche Oma Suzet und für einige Wochen auch noch die kleine Tilde dazustoßen. Und so beginnt in diesem heißen Sommer an diesem beinahe unwirklichen Ort nahe den Sümpfen, wo Aloe Vera in den Alpen wächst, für alle eine Reise der Selbstwerdung. Prana Extrem ist ein Versuch, die sich überstürzend verändernde Welt vielschichtig abzubilden; es ist das Wagnis, durch Liebe, Aufmerksamkeit und Humor Raum für ein anderes Miteinander entstehen zu lassen; ein Buch, das vom Gelingen tiefer Verbundenheit erzählt, und ein Ort, der für die Dauer der Lektüre als magisch erhabener Gegenraum zu unserer Wirklichkeit entsteht.
Joshua Groß, 1989 in Grünsberg geboren, studierte Politikwissenschaft, Ökonomie und Ethik der Textkulturen. 2018 war er zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur nach Klagenfurt eingeladen und 2019 erhielt er den Anna Seghers-Preis. Er ist einer der Herausgeber der Anthologie "Mindstate Malibu".
Papierstau Novel of the Year 2022 Joshua Groß is now officially the Clemens J. Setz of Germany, meaning: This is the hottest literary shit available. Here, Groß writes about the implications of existing in the world without hiding behind psychological and physical armor (hello, Wilhelm Reich and Klaus Theweleit), about the concept of prana and opening up to life - a high psychlogical concept he packages in an autofictional love story. Because on a major level, this novel is a love letter to his wife Lisa Krusche who, together with a certain narrator named Joshua, stars in the story.
In the book, Lisa is a writer-in-residence in Hall near Innsbruck (this really happened), and Joshua joins her in Tyrol. They befriend a young ski jumper named Michael (who has parallels to real-life athlete Michael Haybröck) as well as his coach/sister, and Joshua & Lisa move into the siblings' vacation rental. All kinds of small adventures occur, including the sudden entrance of Joshua's eccentric gandma and a visit from a kid who, among other things, talks to refrigerators. It's outrageous and smart and entertaining - in short, a typical text by Joshua Groß.
Motifs include Chupa Chups (echoing the recurring melons in Unsere anarchistischen Herzen); the mystery and magic of the conditio humana is pondered in space themes like the role of a meteor, a female astronaut and even a UFO; a fictional SciFi author is employed to play out philosphical issues; and mutated giant dragonflies constantly remind readers of the climate apocalypse - mutation and contamination (also of people by the world in general) are constant concerns. And of course Groß also gifts us new words that should be included in the dictionary ASAP.
This is so intelligent and perplexing and intriguing and riveting and fantastic and daring and wild and endearing, I absolutely love it. If you'd like to hear our podcast gang chatting about the novel with Joshua, just click here: https://papierstaupodcast.de/podcast/...
Sprachlich ist das schon verflixt gutes Zeug, was Groß hier in unseren Lit-Joint der fröhlichen Entspannung reinflockt. Rap und Racine, Chupa Chups und Chaos, immer wieder englische Ausdrücke und davon auch die fies neuen, die man selbst voll selten gebraucht und kaum kapiert. Das ist famos erheiternd und einschüchternd anders und man denkt sich auch: Krass, warum kam da kein anderer drauf bislang?
Ich war bei Seite 8 ins Buch verliebt und wollte auf Seite 22 in den Baumarkt fahren, um die Sachen für meinen Groß-Schrein zu besorgen. Warum? Weil ich mich in sein Anliegen hart reinmorphen und reinfeiern kann: Zu zeigen, dass unsere scheiß Charakterpanzer unser Erleben nicht etwa weise strukturieren und in Bahnen lenken, sondern aus Ignoranz alles wegdrängen, was uns unbekannt und zu schrill ist. Was sollten wir stattdessen tun: Prana extrem, also die Lebensenergie fließen lassen! Diese Teile habe ich in der Badewanne gelesen und genau das wars auch literarisch: Eine satt zugeschäumte, genial gute Badewanne aus Stil und Klugheit und reingesemmelter Crazyness.
Die Geschichte wiederzugeben, ist mir im Moment zu anstrengend, ich muss einhändig schreiben, um meinen Sohn schunkeln zu können, der hat sich nämlich endlich in den Schlaf reingeschlurcht und soll da mal bisschen weiterschlurchen.
Es passiert jedenfalls viel, sehr viel. Glaubt mir. Und es ist gut, sehr gut. Und lustig sowieso, nicht nur, weil Maggi-Tütchen als Kapitalanlage gehortet werden und wir eine Bande von Tanten beim Paintball-Massaker erleben. Und und und.
Einziger Kritikpunkt meinerseits: Es waren schon urst viele Themen und Motive reingezimmert, die Nebenstory um Rhoxus war mir zu viel und die Sprache, so crinchig speziell sie auch ist, hat mich über einige wenige thermisch dünnere Passagen nicht rüberhypen können.
Vermutlich werde ich jetzt noch eine Woche in Groß-Prosa denken und das Buch dann in den fünften Stern reintelemarken wie einst Hannawald.
Prana Extrem- Ein leises Buch, in dem nicht all zu viel geschieht, mit einer einnehmenden Sprache, die uns mit auf das Erfahren von Lebensenergie nimmt und kosmische Schwingungen versprüht. Ganz wie bereits in Flexen in Miami, spielt es mit Transzendenz und dem digitalen Menschen, der einen Weg sucht, nicht an dieser Welt zu verklumpen. Joshua Groß spricht in diesem Buch mehrfach vom Charakterpanzer. Das Buch ist die Suche nach Offenheit, Verbundenheit und Beweglichkeit (Anpassungsfähigkeit) in dieser Welt. Er bemüht die Libelle als prägendes Sybol in dieser Geschichte. In der japanischen Mythologie steht sie für Lebenskraft und Erneuerung. Sie steht für Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit. In der germanischen Mythologie symbolisiert sie die unendliche Liebe zwischen zwei Personen über den Tod hinaus, die spirituelle Verbindung zwischen den Welten- Kontakt zum Jenseits. Und da passt es doch ganz wunderbar, dass die Liebe in diesem Buch und auch der Tod eine wichtige Rolle spielen. Michael, der Skispringer und seine Schwester Johanna, seine Trainerin, bauen das Gerüst weiter aus. Skispringen als ideale Sportart, um die Anpassungsfähigkeit und das Steuern der Energie zu verdeutlichen. Michael und Johanna, die mit Lisa und Joshua einen heißen Sommer (kleine Verweise finden wir an vielen Stellen auf den Klimawandel) verbringen und eine besondere Freundschaft entwickeln. Mit am Start: Oma Suzet, Joshuas Großmutter, eine äußerst bewegliche Frau, die ein ganz wunderbar gestalteter Charakter ist. Ein Kind und die Interaktion der Erwachsenen mit ihr wird eingewoben. Die Geschichte um die Schriftstellerin Gertrude Rhoxus und ihren Mann und Künstler Ignar Drugh spielt eine wichtige Rolle. Joshua Groß bespielt auf sämtlichen Ebenen die mögliche Steifheit der Emotionen, des Charakterpanzers und das Aufbrechen des Panzers.
Das klingt alles ganz furchtbar esoterisch und psychedelisch? Wäre es auch, wenn nicht die meisterlich, schriftstellerische Leistung Joshua Groß’s dazwischen ständ. Er streut ultra komische Szenen ein, erfindet Wörter neu, belebt den Text mit moderner Sprache und schafft eine Symbiose aus Transzendenz und unserer digitalen, getriebenen, dem Klimawandel verantworteten Welt.
Für mich ein klares Meisterwerk moderner Literatur.
„Prana“ stammt als Begriff aus dem Hinduismus und bedeutet „Lebenskraft“. Joshua Groß will mit seinem Roman also auf die volle Lebendigkeit hinaus, „Prana extrem“, ohne Hindernisse und ohne falsche Binnendifferenzierung und sozioökonomische Denkschablonen. Es geht um das gute Leben schlechthin, die Dezentrierung, das Überschreiten und Überschreiben alter Denkmuster. Es geht um ‚high‘ sein, um Schwebezustände, um das Gleiten über die Schranke hinweg. Allegorisch steht hierfür das Skispringen im Zentrum des Romangeschehens:
„Auffällig ist beim Skispringen ja vor allem, dass es Springerinnen oder Springern nur sehr selten gelingt, über mehrere Saisons hinweg in der Weltspitze zu bleiben. Es heißt immer, dass das vom psychischen Druck und den Regeländerungen und den technischen Weiterentwicklungen komme […] Komplette Verkeilung, Egosumpf, Selbstverherrlichung. Und ich glaube, man kann dagegen nur ankommen, indem man eine fortlaufende Verflüssigung anstrebt. Prana muss ungehindert zwischen Scheitelpunkt und Beckenboden fließen.“
Der Plot dreht sich um Joshua und Lisa. Beide verdienen ihr Geld mit Schreiben. Sie ziehen bei Johanna und Michael ein, die das elterliche Haus in Tirol bewohnen, wo sie ungestört Michaels Sommertraining für die österreichischen Skimeisterschaften planen und vorantreiben können. Libellen fliegen umher. Paintball wird gespielt. Ein Nichte kommt zu Besuch. Die Oma Joshuas taucht auf. Besuche im Wellness-Center finden statt, und vieles mehr. Viele Lollis werden gelutscht und Drogen genommen. Zum Glück sind alle wohlhabend genug dafür: Pillen, Marihuana, LSD. Die Berge selbst wirken eher als Störenfriede, die die Figuren auf die Erde binden wollen, während sie es allesamt in neue kosmische Dimensionen mit ihrem gestohlenen Meteoriten zieht:
„Melierte, fluoreszierende Stoppeln sprossen dicht von seinem Kinn weg. Ich selbst lehnte währenddessen an der kühlen Wand und betrachtete den Meteoriten. Dabei lächelte ich. Minuten vergingen. Ich versprühte Raumspray. Allmählich vergaß ich die ballernde Sonne draußen, allmählich vergaß ich die bestialischen Berge. Die Hände von Ignar Drugh vibrierten.“
Das dritte Pärchen im Bunde bilden Ignar Drugh und Gertrude Rhoxus, wohl fiktive Gestalten der internationalen Kunstszene, die den Erzählkontext ins Globale und Multimediale aufweichen. „Prana Extrem“ zeichnet sich durch ein extrem ausgeprägtes Körperbewusstsein der Hauptfigur aus. Seine Zähne sind ihm ein Greuel. Das Licht wirkt auf seiner Haut brachial. Er spürt die Schwerkraft, das Ziehende, mit jedem Schritt. Deutlich genug findet hier, in der Sprache, eine körperliche, physische, materielle Dezentralisierung statt, bis nur noch ein Fluss, eine virtuelle Bewegung, ein ausuferndes, psychedelisches körperbefreites Weltbewusstsein bleibt. Die Kommunikation findet multipolar statt, wortlos, körperlos, berührlos in antizipierter Materialismustranszendenz:
„Am Weihnachtsmorgen setzten Lisa und ich uns einander gegenüber, auf eine Wolldecke. Wir waren nackt. Wir befriedigten uns jeweils selbst. Dabei schauten wir uns ununterbrochen an. Lisa sprach, während sie kam, aber ich konnte nichts davon verstehen. Sie sprach leise und entrückt. Ich wischte mir Sperma von meiner Handfläche, sorgfältig, mit einem endorphinierten Weltraumgefühl im Körper.“
„Prana Extrem“ liest sich als solipsistischer Trip. Die Sprache fließt. Sie stößt auf keine Hindernisse. Zeitweise suspendiert das Dichterische den Plot in eine bedeutungsentleerte Trance hinein und lässt die Grenzen zwischen Prosa und Lyrik verschwimmen. Joshua Groß‘ Jugendsprache passt. Die vielen Fachbegriffe geben ihm Schwung. Er invertiert sie, ohne sie zu missbrauchen. Er spielt mit ihnen. Er malt mit ihnen Szenerien, die Bedeutungsgrenzen auffächern. Seine Prosa lässt sich mit Hunter S. Thompsons Fear and Loathing in Las Vegas und The Soft Machine von William S. Burroughs vergleichen. Vision, Träume, Utopien gehen ineinander über. Sie befreien die Sprache. Sie geben dem Wortrhythmus Luft zum Atmen.
„Als wir aufschauten, bemerkten wir ein grünlich-bläuliches Glimmen in der Luft. Ich starrte auf die güldenen Kiefernnadeln; darüber verebbten allmählich die Lichtimpulse. Sie verteilten sich in grüne Fetzen, rautenförmig, zerfließend. Die Vögel waren fort. Jasper zeigte in den Himmel. Über einer Anhöhe am Horizont erkannten wir ein Ufo: schwarz, schwebend, mit ebenjener grünlich-bläulichen Aura – nicht weit über den Baumspitzen, die gleichermaßen aufleuchteten. Die Heuschrecken sprangen in Richtung des Ufos; überall stieben sie hell angestrahlt aus den Sträuchern auf.“
Leider wirkt das Ende zu abrupt, zu schematisch und skizzenhaft. Das Zeitgefühl des Romans ändert sich mit der Rückkehr von Joshua und Lisa zurück nach Braunschweig allzu schlagartig. Monate statt nur Tage vergehen. Nur noch rhapsodisches, angedeutetes, silhouettenhaftes Erzählen bleibt übrig. Die Zeit in Tirol hängt im Nichts, so auch das Pärchen in Braunschweig. Kompositorisch hält das Buch deshalb nicht, was es verspricht, die Zeiten zu durchschreiten, mit dem Skiflieger für einen kurzen Moment, bevor es ans Landen geht, zu schweben, schwerelos zu gleiten. Der Roman erlebt eine brutale Bruchlandung, die hastig und deshalb fiktional unausgegoren wirkt.
Der einzigartige Joshua Gross zeigt auch in diesem Buch wieder seinen brillianten Einfallsreichtum. Die Ideen für absurde Situationen und (erfundene?) Anekdoten sind herrlich kreativ und originell. Es ist ein Genuss hier einzutauchen und sich immer wieder erstaunen zu lassen.
Mein einziger Kritikpunkt ist, dass mir ein ganz klein wenig von dem Wahnsinn gefehlt hat, den ich in seinem Buch Flexen in Miami finden konnte. Auch hat mich der Humor in diesem ersten Roman häufiger zum schmunzeln, teilweise zum laut lachen gebracht. Aber das ist tatsächlich Jammern auf hohem Niveau. Ich hatte viel Spaß beim Lesen.
(Und meine nächste Katze wird definitiv Schnurri-San heißen!).
Joshua Groß hat mir bereits auf den ersten paar Seiten seines neuen Romans “Prana Extrem” die Schädeldecke weggesprengt. Die Selbstreflexion des Protagonisten Joshuas über seine Existenz in dieser Welt und seine innersten “Verklumpungen”, die es aufzubrechen gilt, hatte mich sofort am Wickel und wird im Laufe des Buches anhand eines kuriosen Plots mit einnehmenden Charakteren weitergesponnen und neonfarben fluoreszierend ausgeleuchtet.
Was vordergründig passiert, ist schnell erzählt: Joshua und seine Freundin Lisa sind in Österreich, wo Lisa temporär als Stadtschreiberin arbeitet. Dort lernt Joshua Michael kennen, einen aufstrebenden, jungen Skispringer und seine Schwester Johanna, die ihn trainiert. Schnell steht fest, dass Joshua und Lisa den Sommer bei dem Geschwisterpaar in deren Ferienwohnung nahe Innsbruck verbringen werden und so beginnen heiße, wabernde Tage voll Thermalquellen, roten Riesenlibellen, süßer Getränke, Chupa Chups, Science-Fiction Büchern, Minigolf, Meteoriten, Gesichtsmasken, Paintball, SUVs, Trapmusik, Espresso mit Schlagsahne und natürlich Skispringen. Joshua Groß schafft kleine Mikroklimata, in denen er Konzepte von weltlicher und kosmischer Energie, Transzendenz und sich selbst auflösen, Verstofflichung vs. Vergeistigung und Kontamination durchspielt. Was sich ultra abstrakt anhört, bekommt der Autor mühelos in vielen charmanten, lustigen, gestörten Nuancen dargestellt, indem er Bilder, Charaktere, Landschaften für sich sprechen lässt. Immer präsent ist nebenbei der Klimawandel und unser menschliches, widersprüchliches Verhalten demgegenüber. Während in Österreich tropische Sumpfgebiete entstehen, fahren die Protagonisten mit SUVs durch die Gegend und kühlen sich am offenen Kühlschrank ab. Schnell merkt die Leserin, dass manch absurder Einfall näher an der Realität ist, als einem lieb ist. Die Anhäufung solcher feinsinnig beobachteter, nebenbei eingestreuter Kleinigkeiten macht die einzelnen Szenen so erfahrbar und beansprucht auch beim Lesen alle Sinneswahrnehmungen. Nicht zuletzt spitzelt immer wieder die Liebesgeschichte zwischen Joshua und Lisa durch (der Autor ist tatsächlich mit der Schriftstellerin Lisa Krusche liiert), die sich nochmals in eine ganz andere Schicht meiner Empfindungen eingegraben hat.
Durch die zugängliche Sprache taucht man sofort in diesen Rausch ein und wird selbst porös inmitten der schwülen Hitze Kurbrucks. Joshua Groß generiert einen einzigartigen Ton zwischen authentischen Dialogen / Chatverläufen und treffsicheren Wortneuschöpfungen. Wenn man einem der zahlreichen Verweise folgt, wird man belohnt mit neuen Mosaiksteinchen, neuen Bedeutungsebenen und neuen Eindrücken, die sich zum Sinneskarneval dazu gesellen.
Für mich ist dies ein absolut lebens- und bewusstseinsveränderndes Meisterwerk. Unfassbar großartig.
Kürzlich habe ich ein Interview mit Jay McInerney gesehen und gehört. Dort beschreibt er, wie es zu dem Ursprung des 80er-Jahre Meisterwerkes "Bright Lights, Big City" kam: er kam um 5 Uhr morgens aus einem Club in New York City und begegnete dem Geruch des frischen Brotes, das gerade ausgeliefert worden ist. Zwei Welten trafen aufeinander. Vielleicht ist Joshua Groß etwas ähnliches beim Paintball-Spielen passiert.
Joshua Groß schafft es in einer einfachen aber einzigartigen Sprache in "Prana Extrem" die Gegenwart abzubilden. "Du bist Poet, also darfst du die Augen nicht abwenden". Das Skispringen wird an einer Stelle als die Kunst beschrieben, gleichzeitig meditativ und wach zu sein. Das gilt nicht nur für das Skispringen. Es zieht sich durch den gesamten Roman.
Ähnliches stellt sich bei mir als Leser ein: manchmal neige ich dazu, mich von der Sprache und den Gedanken (und den tollen Referenzen) einlullen zu lassen und dann ist sofort der Fokus wieder da, um keinen dieser Gedanken zu verpassen.
um es mit joshua groß zu sagen: das buch ballert und fickt das hirn weg. oder etwas ausführlicher: groß gelingt hier in wunderbar eigener sprache ein wortwörtlich wegweisender roman. in die transzendentale leere der millenials schieben sich drogen und kosmische strömungen, während sie einen sommer im haus des skisprungmegatalents michael und seiner ihn trainierenden schwester verleben. neben tollen reflexionen über das skispringen und den alltag in einem heißen, nie enden wollenden sommer treten verschiedene nebenstränge, wir erfahren von joshuas beziehung zu seinen großeltern, von seiner anderen großmutter, die die welt bereist, von der science-fiction-autorin gertrude rhoxus und maggi-fix-connaisseuren. eigentlich ist prana extrem ein roman über die gelassenheit, auch angesichts eines katastrophalen klimawandels, der sich im roman durch mutierte riesenlibellen äußert, die sich aus einem ortsuntypischen, mangrovenähnlichen sumpfgebiet mit heißen quellen ihren weg durch den latent zu heißen und trockenen sommer bahnen. das skipringen ist für diese gelassenheit angesichts einer extremsituation ein gelungenes, cleveres bild, das auch verdeutlicht, dass es nicht um ignoranz gegenüber drängenden problemen geht, sondern darum, in einen gleichzeitig meditativen und hellwachen zustand zu gelangen, wie es michaels schwester als ideal des skipringens beschreibt. abzug gibt es nur, weil joshua groß zu viele gute ideen hat, die nicht alle in einen roman zu fassen sind, und weil manche stellen zu überladen sind mit pseudoreligiöser ekstase und wortesoterik ("subatomar"). insgesamt jedoch überwiegt die faszination für diese erfrischende stimme in der gegenwartsliteratur.
Joshua Groß‘ Roman „Prana Extrem“ handelt vom Ich-Erzähler Joshua, der mit seine Freundin Lisa, Stadtschreiberin von Innsbruck, einen heißen Sommer in Kurbruck verbringt. Sie treffen auf Michael, ein junges Skisprungtalent und seine Schwester und Trainerin Johanna, bei denen sie auch in eine Ferienwohnung ziehen. Als Nebencharaktere tauchen die 5jährige Tilde auf, die es zu betreuen gilt, Karina, eine ISS Astronautin, die mit Johanna liiert ist und Joshuas wahnsinnig reiche und eigenwillige Oma Suzet. Michael und Johanna widmen sich ganz Michaels Skisprungkarriere, während Lisa vorwiegend an ihrem neuen Roman schreibt. Suzet, Michael und Tilde baden im Pool und in den Thermalquellen, lutschen dauernd Chupa Chups und nehmen die Energie des geheimnisvollen Meteoriten in sich auf. Nichts Dramatisches passiert, aber immer hatte ich das Gefühl, etwas brodelt unter der Oberfläche. So ging es mir auch vor ein paar Jahren bei "Schimmernder Dunst über Coby County" von Leif Randt, da habe ich die Atmosphäre ähnlich empfunden. Immer in Erwartung, dass etwas passiert, aber die Handlung fließt gleichmässig dahin. Viele Szenen muten dabei etwas surreal an. Joshua bekommt einen aus einem Museum geklauten Meteoriten zum Geburtstag geschenkt, Riesenlibellen, werden im Zuge des linear verlaufenden Erzählstrangs immer noch größer. 7 alte Tanten sind perfekte Paintballsoldatinnen. Joshua lernt mit Antimaterie Bällen zu jonglieren und alle Passagen um die fiktive Sciencefiction Autorin Gertrude Rhoxus, die sich jeden Tag mehrere Stunden mit aufgeklebten Elektroden ins Moos legt, um zu schreiben und die Joshua mehr als fasziniert, wirken skurril. Perfekt zu der psychedelischen Atmosphäre passt auch die Sprache, in der er verfasst ist. Der Titel schon deutet daraufhin: Prana als Urenergie, die alles durchfließt und die häufig vorkommenden „kosmologischen“ Vokabeln: dimensionslose Ungebundenheit, Berge wachsen ins All, in Raumzeit gefangen, die anhaltende Erwähnung des Universums. Der Autor benutzt so viele Adjektive, wie ich noch nie in einem Text gesehen habe, alles glitzert, glüht und schimmert in sirrender Leichtigkeit, „psychospirituell (S.164)“ Auf der Metaebene geht es für mich in diesem Roman um die Entwicklung der Menschen im Sinne der Selbstwerdung. „Verflüssigung“ durchströmende Energie/Prana bedeutet ja auch ein sich stetiges Wandeln/Entwickeln und zur Fähigkeit der Adaption.
Leseempfehlung für Fans von "woker" Jugendsprache, Rapzitaten und James Turrells Lichtkunst! Ich bin Fan💗
Erschienen ist der Roman im Sommer 2022 im Matthes und Seitz Verlag.
Nominiert für den Leipziger Buchpreis.
This entire review has been hidden because of spoilers.
Ich möchte nicht viel dazu schreiben. Es war einfach nicht mein Fall. Viel sprachliches TamTam um sehr wenig. Groß variiert zwischen Wortneuschöpfungen, freshen Anglizismen und hochtrabender Bildungssprache. Dadurch wirkte die Erzählung stilistisch künstlich gewollt und zusammengezimmert, Sprache als Mittel zum Zweck. Doch sie passt zu den fahrigen Figuren, die alle verklumpt und verballert durch die kaum vorhandene Handlung stolpern. Zu gewollt wirkten auch die thematischen Elemente Skispringen und Hip-Hop, die immer wieder, als dünne Metaphern dienend, eingestreut wurden. Am Ende blicke ich ratlos auf diesen Roman zurück, schade!
Fuck. This was good. "Prana Extrem" hat mich dann doch etwas aus der bahn geworfen, sprachlich, während ich so tranig und eher vorahnungslos durch den endlosen sommertag geschlurcht bin. (die nachmittagssonne war heftig, hatte aber weniger impact als noch vor ein paar stunden).
Wie auch dieser autor (Joshua Groß) mir bisher unbekannt blieb, bleibt ein rätsel (allerdings kein allzu schweres, vielleicht mal weniger dating shows und mehr lesen?!) aber ich bin einigermaßen excited about this innovative, strange and a bit dreamlike, but endlessly beautiful love (and friendship) story (set in summer, of course). Ein sehr gelungenes gegenprogramm zu dem ganzen streberhaften ZEIT-leser-müll der einem für gewöhnlich als contemporary german literature präsentiert wird (krieg, nazis, langweilige scheiss beziehungen und drawn out family histories).
Bin gleich metertief drin versunken in dieser eigenen sprachlichen welt (nicht ohne mir gleich alles einzuverleiben). Fühlte mich anschließend ein bisschen high, vielleicht auch von der sonne, charakterpanzer öffnen und so.
Irgendwie checke ich dass er immer seine Gedanken so krass erklärt in so einem stressigen Bedürfnis nicht missverstanden zu werden. furchtbare erste Seite leider.
Wie auch „Flexen in Miami“ beeindruckt das Sprachtalent von Joshua Groß, der es schafft heutige Alltagssprache in ihrer Überreflexion und scheinbar nüchternen Emotionalität auf die Spitze zu treiben. Leider leidet die Geschichte in Prana Extrem etwas.. ab einem gewissen Punkt wollte ich das Buch nur noch wegen meiner Sympathie zum Autor zu Ende lesen..
Der Begriff „Prana“ stammt aus dem Hinduismus und bedeutet so viel wie Absolute Energie oder Lebenskraft. Joshua Groß beweist in diesem sprachgewandten autofiktionalen Roman, mit wie viel Spaß es sich tatsächlich in Richtung der vierten Dimension meditieren lässt, dabei darf auch mit Antimaterie jongliert und in Gucci-Pantoffeln geschlurcht werden.
Vor der Kulisse der Tiroler Alpen lernt das junge Schriftstellerpaar Joshua und Lisa zufällig den Nachwuchssportler Michael und dessen Schwester Johanna kennen. Gemeinsam mit den beiden, einer Astronautin, einer extravaganten Großmutter, sowie Hund und Katze verbringen sie den Sommer in deren Haus. Und jippieh: In einem Nebenstrang ist auch die bereits aus „Flexen in Miami“ bekannte Sci-Fi-Schriftstellerin und große Philosophin Gertrude Rhoxus wieder mit dabei.
Mit einem atmosphärischen Farbspektakel voller leuchtender Gatorade, klebriger Chupa-Chups, gestohlener Meteoriten sowie gigantischer Riesenlibellen wird hier eine wunderschöne und witzige Geschichte über Freundschaft, Liebe, die Befreiung von Konventionen aber auch den Klimawandel erzählt. Ob beim Sprung von der Skischanze oder vom Zehnmeterturm, extraterrestrischen Erfahrungen beim Hautarzt oder Reichtum dank Maggi-Fix - in dieser Welt scheint plötzlich alles möglich zu sein.
deutsch & woke & modern und gleichzeitig die ehrlichste, lyrischste Art der Realitätsflucht gespickt mit tiefst berührenden Passagen über die menschliche Natur und eine Existenz in einer schnelllebigen, unantastbar gewordenen Welt dieser Zeit. War schön und gleichzeitig random und gleichzeitig wahnsinnig lustig. Hätte ich das Buch im Sommerloch und nicht in der Frühjahrsdepression gelesen, wären es mit Sicherheit 5 Sterne geworden. Soso gelungen, allerdings für mich in meiner gegenwärtigen Situation zu langsam, aber genau darum geht es ja auch ein bisschen. Naja.
„Ich will versuchen, mich selbst (und auch alles andere, sofern es meine eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeiten zulassen) neu zu erfahren, um die Verklumpungen, die permanent in mir wirken, auf der tiefstmöglichen Ebene mit außerirdischen Lichtwellen zu fluten, bis meine Charakterpanzer brechen.“
„Vielleicht konnte ich meinen Stolz so lange aufrechterhalten, bis ich kapiert habe, dass ich nicht unantastbar bin. Ich will gar nicht mehr unantastbar sein, sondern brüchig, aufbrechend; ich will keinen Stolz mehr, um mich abzuschotten, sondern Schutzzauber, die mich in meiner Offenheit bewahren.“
„Es gibt einen Ort für uns. Wir erschaffen ihn gemeinsam, durch unsere Offenheit und durch unseren Hustle, durch unseren Humor und durch die wahnwitzigen und wunderbaren Wiederholungen. Wir kontaminieren uns gegenseitig, immerzu; es ist eine Verunreinigung, die elektrisierend ist, weil sie aus unseren Gedanken, unseren Körperflüssigkeiten und unserem Lachen besteht. Wir befinden uns in einem subatomaren Zueinanderfinden; ein Zueinanderfinden, in dem wir beide luxurieren als zwei.“
„Lange war da eher die Vorstellung in mir, Sehnsüchte würden mich, weil ich sie für Präinkorporierungen hielt, blenden oder abhalten vom Vorankommen, bis ich kapierte, dass Sehnsüchte keine vorgefertigten, einseitigen Bedeutungen haben. Nie hatte ich wissen wollen, wohin sie mich führen könnten. Ich hatte mir selbst oft vorausgesagt, geprägt von Erfahrungen, die wahrscheinlich aus meinen Angsten heraus entstanden sind, wie unwahrscheinlich es sein würde, dass ich mich lösen könnte von diesen inneren, mich erschreckenden Mangelzuständen. Statt aufzubrechen wollte ich mich immer nur abarbeiten an mir selbst; wodurch sich Ingrimm entwickelte und oft auch Verzweiflung. Jetzt werde ich wacher und spontaner die Desillusionierung meiner eigenen Idiotie betreiben und die verfickten Fatalismen aus mir rausexorzieren.“
„Komplette Verkeilung, Egosumpf, Selbstverherrlichung. Und ich glaube, man kann dagegen nur ankommen, indem man eine fortlaufende Verflüssigung anstrebt. Prana muss ungehindert zwischen Scheitelpunkt und Beckenboden fließen.“
Prana Extrem (2022) von Joshua Groß wirkt jedenfalls den Äußerlichkeiten nach wie ein Roman mit vielen autofiktionalen Elementen. Der Erzähler Joshua begleitet seine Freundin Lisa ins österreichische Hall, wo diese als Schriftstellerin ein Stipendium erhalten hat. Die beiden lernen den Skrispringer Michael und seine Schwester/Trainerin Johanna kennen und ziehen für den Sommer zu den beiden und ihrer Katze. Es folgen ein Hund, eine Oma, eine Nichte und Johannas Freundin. Gerade zu Beginn habe ich eine Weile gebraucht, um in das Buch hereinzufinden. Manche Sequenzen haben mich an Kneipenabende mit betrunkenen Philosphie-Zweitsemestern erinnert. Viele Referenzen und Themen werden verknüpft. Joshua ist fasziniert von einem Meteoriten, zu dem er eine übernatürlich wirkende Anziehung verspürt, immer wieder geht es um Astronautinnen, UFOs und das Weltall. Das Buch erzählt aber auch von vielen kleinen, teilweise sehr lustigen Begebenheiten - etwa einem Paintballturnier mit Johannas kriegswütigen Tanten. Donna Haraway wird genannt, die ein gleichberechtigtes Beisammenleben auf Augenhöhe zwischen verschiedenen Spezies (etwa Menschen und Hunden) beschrieben hat.
Prana ist ein Wort aus dem Sanskrit und steht für die Lebenskraft, die aus Harmonie entspringt. Johanna vertritt die Ansicht, beim Skisprung gehe es nicht nur um Technik und Kraft, sondern um Prana. Das Skispringen ist symbolisch für eine Tätigkeit, die die Natur nicht bezwingen will, sondern den Einklang mit ihr sucht. Das Zusammenleben der Protagonist*innen ist eine Utopie davon, wie Zusammenleben aussehen kann - als Ort, an dem Menschen sich aufgehoben fühlen und dennoch Raum für die eigene Entfaltung haben. Gezeigt wird ein nahezu symbiotisches Beisammensein. Das hat etwas von Fernsehserien, in denen Charaktere scheinbar endlos Zeit haben, um alles miteinander zu teilen und sich nie einsam fühlen. Ich weiß nicht, wie realistisch dieses Bild ist. Wichtiger und wunderschön finde ich aber, wie Groß es schafft, auch im Kleinen wertschätzende und dennoch authentische Interaktionen zu beschreiben.
Prana bedeutet im Hinduismus Leben, Lebenskraft oder Lebensenergie. In der James Turell Lichtinstallation in Innsbruck kann man dieses Prana extrem tanken. Der Michael wird das brauchen, damit er dann bei den österreichischen Schisprungmeisterschaften am Berg Isel als neuer Shooting-Star durchstarten kann. Der große österreichische Schisprungstar zu werden, das ist das Ziel des 16jährigen, der von seiner Schwester trainiert wird. Der Vater, ein ÖSV-Funktionär verfolgt das Ganze skeptisch. Die Hauptfiguren sind Johanna, die Trainerin, Michael, die Nachwuchshoffnung, Lisa, Schriftstellerin aus Deutschland die in Hall Stadtschreiberin ist und Joshua, ihr Freund. Dann gibt es da noch eine schräge Großmutter, sichtlich eher steinreich, Suzet, die nach dem Tod ihres Mannes, der jetzt irgendwo im Pazifik wiedergeboren herumzuschwimmen scheint, wieder nach Europa, zuerst Innsbruck, dann Deutschland zurückkehrt. Johanna und Michael leben im elterlichen Haus in einem kleinen Ort in der Nähe von Innsbruck. Die Klimaerwärmung ist auch dort zu spüren, Sommertemperaturen um die 40 Grad seine Seltenheit, die Libellen zu riesengroßen Insekten mutiert. Ja, dann lesen wir noch über die früh verstorbene (wohl geplanter Suizid) Science Fiction Autorin Gertrude Rhoxus und ihren trauernden Lebensgefährten und Filmemacher Ignar Drugh, eine Satire über den Literaturmarkt. Produktplatzierungen gibt es auch, nämlich Maggi Fix, das als Sammlergeheimtip gilt und Chupa Chups. Ja und dann, das hätte ich fast vergessen, ein Energiebündle namens Meteorit, der aus einem Museum gestohlen wurde, von den Freunden von Joshua, die ihn ihm zum Geburtstag (30!) schenkten und der jetzt versteckt in einer Garage in Innsbruck herumsteht. In all diesem schrägen Umfeld fühlen sich die Protagonisten sichtlich wohl. Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2023.
Ich überlege immer noch, was mir das Buch gegeben hat? Auf jeden Fall die Erkenntnis, dass dieses Buch nicht den Leipziger Buchpreis verdient hätte. Ehrlich gesagt, habe ich es nur gelesen, weil es für den Buchpreis nominiert war. An die vielen Anglizismen ist man ja heutzutage schon gewöhnt, okay. Aber mit welcher Selbstverständlichkeit ständig vom "Kiffen" geredet, nein danke. Soll es eine Aufforderung sein, es gleich zu tun. Der Autor erwähnt mit keiner Silbe, wie schädlich der Konsum ist. Wahrscheinlich ist das eher ein Jugendbuch und ich war im falschen Film. Zum Glück gibt es außer mir noch jemanden, der das Buch auch negativ beurteilt hat. Die kosmischen Ausflüge von Joshua sind ganz amüsant, reißen einen jedoch nicht vom Hocker. Dafür finde ich die Idee mit den Libellen am gelungensten. Das hat etwas Lyrisches. Ein weiteres Thema ist das liebe Geld. Es scheint bei Joshua überhaupt keine Rolle zu spielen. Und dies in einer Zeit, da jeder irgendwie ums Überleben kämpft. Ist bei ihm alles kein Problem. Wie gesagt, ich konnte dem Buch nichts Überwältigendes abringen und muss seine anderen Bücher nicht lesen, deren Inhalt sich im gleichen Milieu abspielt. Ich muss mich noch mal revidieren, nachdem ich mir die anderen Rezensionen durchgelesen habe. Ich hatte mich bei Joshua an dem mehrmaligen Gebrauch von "gefickt oder verfickt" gestört. Das Wort wurde nicht im eigentlichen Sinne verwendet sondern eher als jugendlicher Kraftausdruck. Wenn das halt der Jargon der Jugend ist und eine solche Ausdrucksweise die jüngeren Leser anspricht, dann ist es okay.
Am Anfang irgendwie erstmal ultra cringe. Manchmal zumindest, ich weiß nicht ob es Joshuas oder Joshuas Schuld ist, manche Worte, Sätze, Ausdrücke wirken fehlplatziert, sind unangenehm, machen, dass sich meine Haut eklig anfühlt. Von Literatur aus dem 19., 20. Jahrhundert kommend hab mich also erstmal ein Stück durchgequält, vielleicht ist der Text und die Denkweise zu nah an mir, zu sehr 2020er, bin deutsche Gegenwartsliteratur nicht gewohnt. Irgendwann aber wurde ich von Joshua in seinen süßlila Sog aus Chupa Chups, Libellen, Softdrinks und Gatorade (zweiteres fällt wohl nicht unter erstere Kategorie, da sie immer gesondert erwähnt wurden), Marihuana und irgendwie nichts tun gezogen. Die gleichen Motive tauchen immer und immer wieder auf und erst nervt es und dann findet man sich damit ab und dann ist alles irgendwie so und irgendwie auch einfach toll. Der Sommer in Kurbruck erschien durch das Nichtstun und die Quatschideen Joshuas wie ein langer, leicht zäher aber auch wunderschöner Traum. Die Charaktere sind, bis auf die Freundin Lisa, über die Joshua scheinbar nicht schreiben kann, weil sein Kopf dann leer ist, alle recht dreidimensional. Vor allem das letzte Drittel hat mir besonders gut gefallen, wobei das Ende dann im Gegensatz zu den Ereignissen davor eher ernüchternd war.
Sprachlich ist das was Joshua Groß auffährt zumindest mal sehr interessant, zum Teil hat mir das sehr gut gefallen, zum Teil fand ich es ein bisschen drüber. Insgesamt habe ich mich wohler gefühlt, dass Buch als irgendwas zwischen Essay, Tagebuch und Roman (Erzählung?) zu lesen, statt nur als letzteres. Die Harmonie, die Groß selbst in der Sinn- und Seinssuche etabliert, ist etwas, das dem Lesen zugute kommt und mich wünschen lässt, ich hätte das Buch in einem vom Klimawandel bis ins Unerträgliche erhitzten Sommer gelesen, verklebt dahinschmelzend. Zwischendurch hatte ich das Gefühl von Joshuas Ausschweifungen etwas abgehängt zu werden, aber die Geschichte sammelt diese ausgestreuten Körner der Selbstbetrachtung nach und nach heimlich, still und leise wieder auf und so ergibt sich am Ende doch ein schönes Bild.
This was an interesting reading experience since I thought that I was reading a different book (Blutbuch) for the first 100 or so pages. Maybe the explorative mindset was good. In here, you find a great portrait that is never simplistic or condecending of a group of people handling their life and their lostness in it. If you let it breathe, this is a great book with many motives to think about and (even more magically) never on the nose with it
1,5 ⭐️ (die Oma hat es gerettet) Das war so ein Fiebertraum. Anders kann man es nicht nennen. War aber auch gar nicht mein Cup of tea. Keine Ahnung, vielleicht bin ich für solche Literatur auch nicht gemacht und/oder umgekehrt und solche Literatur ist nicht für mich gemacht. Will mich auch nicht nochmal über das Buch aufregen, es hat mir einfach nicht gefallen :)
Sprachlich großartig mäandert der Text zwischen Meteoriten, Maggi Fix und Skispringen durch das überhitzte Tirol und berührt dabei die großen Fragen unserer Existenz.